Di
30
Dez
2014
Abnehmen, aber Richtig!
Wir sind übergewichtig! Es hilft keine Diät, sondern nur die Diätetik: die vergnügliche Lebensumstellung einer Lebensfreude. Keine Arbeit, sondern Lebenslust. Keine Strafe, sondern Therapie.
„Ein Mops kam in die Küche, und stahl dem Koch ein Ei.
Da nahm der Koch den Löffel und schlug den Mops zu Brei.
Da kamen viele Möpse und gruben ihm ein Grab.
Und setzten drauf ’nen Grabstein, worauf geschrieben stand:
Ein Mops kam in die Küche …“
Altbekanntes Lied unbekannter Herkunft
Man nannte mich daheim Möpschen. Zu diesen Namen kam ich, weil ich als Kleinkind, obwohl im Sommer 1944 geboren, sehr pummelig war. Auch als ich dann in meiner weiteren Kindheit relativ dünn war, blieb es bei diesem Namen. Als Kind war ich regelrecht naschsüchtig, so dass meine Mutter den Küchenschrank abschloss, wenn sie mich
alleine ließ. Ich fand allerdings das Versteck immer und tat mich an den vorhandenen Nahrungsmitteln gütlich. Umso beschämender war es, dass ich während meiner begin-nenden Pubertät – nicht zuletzt wegen meiner deutlichen Esssucht – wieder molliger und von den Klassenkameraden „Dicker“ genannt wurde. Unentwegt versuchte ich mehr oder weniger unbewusst, meinen Bauch einzuziehen, wodurch ich mich insgesamt verspannte. Schlanker wurde ich erst, als ich recht früh mit dem Rauchen begann, welches mir wohl auch dabei geholfen hat, nach Beginn meiner Konditorlehre nicht allzu dick zu werden. Diese Berufswahl hatte wohl auch mit meinem unersättlichen Drang nach Essen zu tun. Ich lief durch die Backstube und aß fast zwanghaft die verlockenden Süßigkeiten. Aufgrund der gleichzeitig zu leistenden schweren körperlichen Tätigkeiten, wie z. B. Mehl- und Zuckersäcke schleppen, die schweren Backbleche putzen, die Asche aus dem Kohleofen ziehen, diesen selbstverständlich auch heizen, sowie wegen meiner Fahrten mit dem Fahrrad und einem gleichzeitigen Judo- und Boxtraining wurde ich eher muskulös als dick. Aufgrund meines damaligen schlechten Lebenswandels, und vor allem aufgrund eines permanenten Schlafmangels erlitt ich eine psychotische Episode. Deshalb wurde ich mit einer falschen psychiatrischen Diagnose längere Zeit mit Neuroleptika behandelt, wodurch ich dann sehr fett wurde, und immer zwanghafter essen musste, was durch diese Medikamente induziert wurde.
Bewegung aus Freude
Mit 25 Jahren begann ich den Besuch eines Abendgymnasiums. Um meinen Lebensunterhalt zu bestreiten, nahm ich viele Jobs an, die
sich durch ein intensives körperliches Training auszeichneten. Ich trug Kohlen aus, wobei ich leidenschaftlich den Schulterwurf des Judo übte, oder stapelte Zweizentnersäcke im Hamburger Hafen.
Dabei habe ich selbstverständlich sehr viel gegessen und es mir angewöhnt, hochkalorische Nahrung zu mir zu nehmen, die ich bei diesem ausgeprägten Sportprogramm auch benötigte. Mit 30 Jahren
begann ich Medizin zu studieren. Ich wollte nicht für ein Auto arbeiten gehen, sondern kaufte mir ein Rennrad und mietete eine Wohnung weiter außerhalb, weil sie dort preiswerter war. Meine
dadurch vorgegebene Fahrradstrecke betrug täglich ca. 50 km, was ich als Basistraining ansah. In den Semesterferien radelte ich nach Südfrankreich und war bei der Weinernte als Träger tätig, wo
ich täglich zwischen fünf und 7 t Trauben schleppte. Einmal fuhr ich mit dem Fahrrad von Basel nach London innerhalb von sieben Tagen (über den Kanal selbstverständlich mit dem Fährschiff). Als
zusätzlichen Sport betrieb ich noch Karate. Kontinuierlich aß ich selbstverständlich sehr viel und nahm kalorienreiche Lebensmittel zu mir. Ich war stolz darauf, als „barocker Mensch“ von meinen
Freunden angesehen zu werden, in Frank-reich nannten mich die Freunde „Garguantua et Pantagruel“ nach den gleichnamigen Vielfraßen des Humanisten Rabelais. Ich aß offensichtlich so viel, dass man
mir den Namen von Vater und Sohn verpasste. Damals sah ich noch nicht so aus, wie Rabelais die beiden beschrieb; ich aß oder „fraß“ nur gewaltige Mengen.
Rückfall
Mit ca. 40 Jahren ließ sich mein Training nicht mehr aufrechterhalten, da ich als Assistenzarzt meine Ausbildung in der Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie durchführte. Mit 32 Jahren hatte ich das Rauchen aufgegeben und somit auch noch mehr gegessen als vorher. Allmählich veränderte sich meine Lebensweise dahingehend, dass ich immer weniger trainierte, aber mein Essverhalten beibehielt. 1989 wurde mein Sohn geboren, der in den ersten Jahren nachts häufig wach wurde und um den ich mich kümmerte. Während er dann relativ schnell wieder einschlafen konnte, war ich endgültig wach und bereitete Vorträge vor, las und „beruhigte“ mich, mehr oder weniger unbewusst, vermehrt mit Rotwein und „gutem“ (eher kalorienreichem) Essen. Je müder ich war, desto mehr aß ich. Ich besaß auch ein Auto; die Gewohnheit des täglichen Fahrradfahrens konnte ich aus Zeitgründen nicht mehr aufrechterhalten. Körperliche Bewegung war fast nur noch an den Wochenenden mit etwas längeren Wanderungen möglich. Autogenes Training oder Yoga waren unterdessen aus meinem Lebensprogramm ebenfalls schleichend verschwunden. Dies bedauerte ich umso mehr, als ich mich mit beiden Meditationstechniken sehr wohl gefühlt hatte und in meine Balance gekommen war. Als ich dann 1990 meine Praxis gründete und außerdem noch an den Wochenenden viele Seminare für Ärzte abhielt, hatte ich immer weniger Zeit, mich zu trainieren. Je eingespannter ich war, desto mehr aß ich. Nachträg-ich wurde mir klar, dass ich ein regelrechter Stressesser geworden war. Ich habe mich bewusst nie überfordert gefühlt, habe mich aber mit übermäßigem, hochkalorischem Essen unbewusst beruhigt.
Allmählich nahm ich immer mehr an Körpergewicht und Körpervolumen zu. Ich habe das im wahrsten Sinne des Wortes mit entsprechender Kleidung kaschiert, auch und vor allem vor mir selbst. Schlussendlich benötigte ich Kleidergröße 56. Gewogen habe ich mich wohlweislich in dieser Zeit nicht. Ich nehme aber an, dass ich bei einer Körpergröße von ca. 180 Zentimetern ca. 120 bis 125 Kilogramm gewogen habe!
Der Durchbruch!
Im Herbst 1998 begann ich, nachdem ich bei einem Vortrag von Andreas Broocks, einem Psychiater der sich über die Anwendung von Sport bei psychiatrischen Patienten habilitiert hat, gehört hatte, dass regelmäßiger Sport zu einer besseren psychischen Stimmung führt, alltäglich mindestens eine halbe Stunde, zuerst ganz langsam, zu joggen. Gleichzeitig stellte ich meine Ernährung um, aß sehr viel Obst und sehr viel Gemüse, um auf diese Weise mit einem großen Volumen an Nahrung weniger Kalorien aufzunehmen. Ich aß auch weiterhin kalorienreiche Lebensmittel, aber deutlich weniger als zuvor. Inzwischen habe ich auch mein Essverhalten verändert, indem ich deutlich langsamer esse und auch viel kleinere Portionen zu mir nehme. Ich habe mein „Stressessen“ allmählich aufgeben können. Mitunter treibe ich zwei- bis dreimal pro Tag Sport, meist eine Einheit von ungefähr einer halben Stunde, aber auf alle Fälle einmal pro Tag eine halbe Stunde Joggen, das ich beibehalten habe. Dazu gekommen sind Heimruder-gerät, Punchingball oder Gerätetraining. Des Weiteren gehört das Autogene Training wieder zu meinem festen Tagesprogramm, auch Yoga ist erneut zu einem regelmäßigen Bestandteil meines Lebens geworden.
Meine Kleidergröße ist inzwischen auf Größe 50 zurückgegangen, während mein Körpergewicht nunmehr unter 95 Kilogramm angelangt ist. Das Körperfett ist deutlich weniger geworden, dafür haben sich aber mehr Muskeln gebildet, die nun mein Körpergewicht vermehrt haben. Das Körpervolumen an Fett wird nach wie vor geringer. Theoretisch und praktisch ist das völlig klar, denn Muskeln wiegen schwerer als Fett. Also stelle ich mich vorerst wieder nur noch selten auf eine Waage. Ohne mich zu wiegen, führe ich dennoch ein ausgewogenes und – vor allem – ein zufriedenes, mitunter sogar glückliches Leben, vor allem ohne esssüchtiges Verhalten. Ich esse nach wie vor relativ viel, aber vornehmlich Obst und Gemüse, so dass ich niemals Hunger habe oder das Gefühl, einen Mangel zu erleiden. Denn ich esse das beste Obst, welches mir am besten schmeckt, und koche mir im Wok gutes Gemüse, welches ich delikat würze, und außerdem bereite ich mir schmackhaften Salat. Mitunter esse ich auch noch Kalorienbomben jeglicher Art, aber eben nicht mehr vorrangig. Unterdessen bekommt es mir immer weniger, so dass diese Ausflüge ins Schlaraffenland seltener bzw. die „Bomben“ immer kleiner werden.
Ich freue mich auf meinen täglichen mittäglichen Parcours des Joggens, rudere zweimal in der Woche auf dem Rhein; wenn es das Wetter nicht zulässt, trainiere ich mit einem Heimrudergerät. Außerdem benutze ich immer öfter mein Fahrrad. Mein immenser Speckmantel hat sich stark zurückgebildet und schmilzt noch weiter zusam-men. Die letzte Bastion bildet noch der Bauch, der sich aber ebenfalls zurückbildet. Diese Lebensweise versuche ich auch alltäglich meinen Patienten zu vermitteln und möchte diese Form von Lebens- und Esslust mit dem vorliegenden Text publik machen.
Umfassendere Informationen zu diesem Thema finden Sie in allen meinen bisherigen Publikationen.