Geld kann aggressiv machen!

Geldwechsler, Bankiers, hast du sogar mit der Peitsche gejagt aus dem Tempel. Unglücklicher Schwärmer, jetzt hängst du am Kreuz als warnendes Exempel! So reimte Heinrich Heine einst in seinem Wintermärchen. Sogar der sonst so sanftmütige Jesus griff zur Peitsche, als er sah, wie sich die Banker vornehmlich um das Geld kümmerten.

Geld ist ein Urphänomen menschlichen Zusammenlebens, so alt wie die Menschheit selbst und ein Bestandteil des Menschen wie die Sprache und die Religion. Geld gehörte in allen Kulturen zum heiligen Raum. Geld war etwas Heiliges. In der Antike wurde in allen Hochkulturen eine Tempelwirtschaft betrieben. Geld gehörte überall zunächst zum sakralen Bereich. Die Übersetzung des althochdeutschen "gelt" bedeutet sinngemäß ein Opfer an die Götter. Das angelsächsische "gild" − heute guild − bedeutet ursprünglich Opfergemeinschaft. Das häufigste Bildmotiv auf frühen Münzen ist das Opfertier, an dessen Stelle die Zahlungsmittel getreten sind. Die Etymologie verweist auf den religiösen Ursprung des Geldes. Man redete früher, wenn man vom Geld sprach, von pekuniären Angelegenheiten, ein Begriff, der nur noch wenig geläufig ist. Pecunia leitet sich von pecus, dem Opfervieh ab, und der Begriff Obolus hängt mit dem griechischen Wort für Opferspieß zusammen. Nach ursprünglich orientalischem Ritus opferten die Griechen Stiere. Aus dem Kreise der Eingeweihten bekam zunächst jeder seine Fleischportion, später dann symbolisch einen Spieß, der das Fleisch repräsentierte. Money, la monnaie (französisch: die Währung), Moneten und Münzen − alle Begriffe leiten sich von einer früheren Gottheit, der Juno Moneta, einer römischen Göttin der Fruchtbarkeit ab. In deren Tempel befand sich die Münzstätte der alten Römer. Es gab vieles, was als Geld angesehen wurde, so beispielsweise die Kaurischnecken, die in Asien und Afrika, aber auch in Europa in großem Umfang als Zahlungsmittel dienten, in Teilen Afrikas offiziell noch bis 1923. Wir bewegen uns, wenn wir unsere alltäglichen Geldgeschäfte tätigen, in einer virtuellen Welt.

 

Geld ist ein Medium, ein Symbol,

allerdings ein Symbol mit dem höchstwahrscheinlich größten, allgemeinverbindlichen Wahrheitsgehalt weltweit, daher Währung, die für alle verbindlich wahr ist. Psychiatrisch formuliert ist Geld eine Art legitimierter Beziehungswahn. Geld ist ein Symbol, an das alle glauben. Sobald alle den Glauben verlieren, wird aus dem, das bis dahin angebetet wurde, nämlich die Gottheit Geld, ein Riesenflatus (flare aus dem Lateinischen kommend, bedeutet blasen), ein Furz, eine Inflation. Der Begriff Kredit gehörte schon im 15. Jahrhundert zum Standardwortschatz. Er ist aus dem Italienischen credito entlehnt, was „Leihwürdigkeit“ bedeutete und aus dem Lateinischen credere entwickelt wurde, was „Vertrauen schenken, Glauben schenken“ bedeutete. Karl Marx beschreibt das Geld als das entäußerte Vermögen der Menschheit. Was man als  Mensch nicht vermag, das kann man sich durch das Geld verschaffen. Mit Geld kann man nach Marx nahezu alles verwandeln. Geld verwandelt unsere Wünsche aus Wesen der Vorstellung, es übersetzt sie aus ihrem gedachten, vorgestellten in ihr sinnliches, wirkliches Dasein, aus der Vorstellung in das Leben. Die wahre Ware ist nach Marx das Geld und damit die Vorstellungs- oder Einbildungskraft! Er meint, dass das  Geld  die Treue in Untreue, die Liebe in Hass, den Hass in Liebe, die Tugend in Laster, das Laster in Tugend, den Knecht in den Herrn, den Herrn in den Knecht, den Blödsinn in Verstand und den Verstand in Blödsinn verwandelt. In vielen Fällen ist das höchstwahrscheinlich so, aber:

 

Geld ist nicht die wahre Wertvorstellung, sondern das Selbstwertgefühl

Und dennoch − man kann eben nicht alles kaufen – hier irrt Marx und wird von Jesus und Freud überholt: Denn nur der Glaube kann Berge versetzen! Eins – und das ist das Allerwichtigste – kann überhaupt nicht gekauft werden, für keine Geldwährung der Menschheit: Selbstvertrauen oder ein gutes Selbstwertgefühl. Auch kann man das Selbstwertgefühl nicht unbedingt durch Anhäufen von umfassendem Wissen oder die Ausübung eines sozial anerkannten Berufs erwerben. Berühmt berüchtigt sind die Massensuizide in New York 1929, als sich viele Menschen von den Hochhäusern stürzten, nachdem sie ihr Geldvermögen verloren hatten. So hatte der Torwart Robert Enke, der höchstwahrscheinlich nicht an Geldmangel litt, sondern aufgrund einer schweren Depression Suizid begangen: Das Selbstwertgefühl lässt sich nicht kaufen. Hier versagt die von Karl Marx gepriesene Kraft des Geldes. Ein gutes Selbstwertgefühl kann für keinerlei Geld erworben werden. Man kann es sich durch die Vorstellungs- oder Einbildungskraft erwerben.

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Kommentare: 12
  • #1

    K.Breitenbach (Samstag, 07 Februar 2015 18:10)

    das ist so hochinteressant zu lesen- schreiben Sie doch ein Buch über Geld.....

  • #2

    M.Kleinberger (Montag, 09 Februar 2015 08:27)

    Der Artikel macht Spass zu lesen und gibt so viel Anregung

  • #3

    P. Helber (Montag, 09 Februar 2015 17:25)

    Aber die Massensuizide sind doch Beleg für das Gegenteil Ihrer Behauptung, nämlich dass der Verlust der materiellen Werte und der Geldvermögen den Menschen das Selbstwertgefühl nahm, sonst hätten sie sich nicht umgebracht....

  • #4

    L. Krüger (Freitag, 13 Februar 2015 19:56)

    Hochinteressanter Artikel.
    Ihr Blog macht Spaß!

  • #5

    G.Schmitt (Samstag, 14 Februar 2015 07:37)

    Geld ist so mannigfaltig. Haben Sie darüber ein Buch geschrieben? Der Blogartikel ist so interessant und komplex und beleuchtet die Bedeutung des Geldes von allen Seiten und in allen Bereichen.

  • #6

    U.Bertram (Samstag, 14 Februar 2015 10:10)

    Das liebe Geld- für viele das Liebste was sie besitzen. Dagobert Duck

  • #7

    U.Geisle (Samstag, 14 Februar 2015 17:15)

    Geld Geld Geld das Wichtigste in der Welt
    Geld oder Leben sagt der Gangster
    und nicht nur der was zerbricht nicht alles um des Geldes der Geldgier willen

  • #8

    F. Kastl (Sonntag, 15 Februar 2015 10:01)

    Ihr Blog ist sehr interessant, Ihr Stil klug, witzig, fundiert, treffend mit spitzer Feder.
    Journalistisch ausgezeichnet. Man sollte Sie in den Medien lesen.

  • #9

    Dr. med. R. Mathias Dunkel (Montag, 16 Februar 2015 18:58)

    @P. Helber: Das ist ein interessanter Gedanke von Ihnen. Allerdings sind diese Menschen leider ohne substanzielles Selbstwertgefühl gewesen. Sie haben sich mit dem Geldvermögen versucht, ein äußerliches Selbstwertgefühl zu verschaffen. Als Ihnen das Geld genommen wurde, standen Sie vor dem Nichts, da Sie über kein "Kernselbst" verfügten. Dr. med. R. M. Dunkel

  • #10

    Dr. med. R. Mathias Dunkel (Montag, 16 Februar 2015 19:04)

    @ K. Breitenbach
    Ausführlichere Darlegungen über das Geld finden Sie im 10. Kapitel meines Buches "Glücklich ohne Arbeit": Selbstwertvorstellungen werden über Arbeit und Geld bestimmt.

  • #11

    Wollner (Montag, 02 März 2015 03:28)

    Guter Artikel

  • #12

    Thomas (Dienstag, 14 April 2015 09:49)

    Ist auf jeden Fall sehr interessant. So kann man das Thema Geld auch einmal von einer ganz anderen Sicht betrachten.